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Entscheidung des BVerfG

Genehmigung einer Zwangsbehandlung

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat sich in einer Entscheidung vom 8. Juni 2021 (Az.: 2 BvR 1866/17 u. 2 BvR 1348/18) mit den Voraussetzungen für die Genehmigung einer Behandlung gegen den natürlichen Willen des Betroffenen (sogenannte Zwangsbehandlung) auseinandergesetzt. Die Entscheidung betrifft zwar solche Behandlungen innerhalb des Maßregelvollzugs, enthält aber auch etliche Aussagen, die auch für Zwangsbehandlungen auf anderer rechtlicher Grundlage relevant sind.
04.10.2021

Der Beschwerdeführer befand sich aufgrund eines im Zustand der Schuldunfähigkeit versuchten Tötungsdelikts zunächst in einer einstweiligen Unterbringung auf Grundlage des § 126a StPO und anschließend im Maßregelvollzug auf Grundlage des § 63 StGB.

Zuvor hatte der Beschwerdeführer eine Patientenverfügung erstellt, in der er es untersagt hatte, ihm in irgendeiner Form gegen seinen Willen Neuroleptika zu verabreichen oder ihn dazu zu drängen. Dabei konnte nicht sicher geklärt werden, ob die Patientenverfügung im Zustand der Einwilligungsfähigkeit erstellt worden war.
Auf entsprechende Anträge hin wurden trotzdem Zwangsbehandlungen mit Neuroleptika genehmigt. Dabei wurde argumentiert, dass eine Patientenverfügung in solchen Fällen nicht zwangsläufig zu berücksichtigen sei. Angesichts des drohenden irreversiblen Realitätsverlusts und der Aussicht auf die Wiederherstellung einer eigenständigen Lebensführung des noch jungen Beschwerdeführers müssten sein entgegenstehender Wille und die mit der Behandlung verbundenen Nachteile und Risiken zurücktreten. Außerdem wäre der dem Staat obliegende Auftrag, den untergebrachten Personen durch eine Verbesserung ihres Zustands ein straffreies Leben in Freiheit zu ermöglichen, unerreichbar, wenn Patientenverfügungen einer Zwangsbehandlung generell entgegenstünden.
Das BVerfG hob die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Gerichtsentscheidungen auf. Zwar gäbe es auch Schutzpflichten des Staates gegenüber den Bürgern, die eine Zwangsbehandlung rechtfertigen können, wenn jemand im Zustand fehlender Einsichtsfähigkeit eine notwendige Behandlung ablehnt und deshalb schwere gesundheitliche Schäden drohen. Die Schutzbedürftigkeit würde aber entfallen, wenn die notwendigen Behandlungen zuvor mit freiem Willen in einer Patientenverfügung abgelehnt wurden. Dieser Grundsatz der persönlichen Autonomie gilt danach auch dann, wenn die Ablehnung einer medizinischen Maßnahme dazu führt, dass keine Entlassungsperspektive besteht. Eine Zwangsbehandlung dürfe nicht alleine deshalb
durchgeführt werden, um dem Betroffenen ein späteres Leben außerhalb des Maßregelvollzugs zu ermöglichen.
Eine Einschränkung nimmt das BVerfG allerdings vor: Wenn eine Zwangsbehandlung zum Schutz anderer Menschen – z.B. anderer Patienten oder des Personals – zwingend notwendig ist, darf sie trotz einer entgegenstehenden Patientenverfügung erfolgen. Eine autonome Willensentscheidung kann nur so weit reichen, wie sie eigene Rechte betrifft, nicht aber die Rechte anderer Menschen beeinträchtigen und auch nicht die Pflicht des Staates, Grundrechte anderer Personen zu schützen, entfallen lassen.
Dass eine Patientenverfügung im Rahmen des Verfahrens zur Genehmigung einer Zwangsbehandlung auf betreuungsrechtlicher Grundlage – also im Interesse der*des Betroffenen – zu beachten ist, folgt im Übrigen bereits eindeutig aus § 1906a Abs. 1 Nr. 3 BGB.