Klienten haften für ihren Betreuer
Tätigt ein Betreuer stellvertretend ein Rechtsgeschäft, wird hier aus gem. § 164 BGB alleine der Vertretene verpflichtet und berechtigt, sofern der Betreuer innerhalb des ihm übertragenen Aufgabenkreises gehandelt hat und es auch erkennbar war, dass er lediglich als Vertreter und nicht in eigenem Namen handelte. Ist dieses Rechtsgeschäft ungünstig (z.B., weil ein viel zu hoher Kaufpreis vereinbart wurde oder weil der Betreuer für seinen Klienten eine Wohnung angemietet hat, die dieser nicht finanzieren kann), treffen die sich daraus ergebenden Verpflichtungen den Klienten trotzdem – auch, wenn dieser nichts dafür kann. Der Klient kann dann u.U. gem. den §§ 1833, 1908i Abs. 1 BGB von seinem Betreuer Schadensersatz wegen der erlittenen finanziellen Nachteile verlangen. Außerdem heißt es in § 278 BGB: „Der Schuldner hat ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters … in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden.“
Über einen besonderen Fall musste das OLG Frankfurt entscheiden (Urteil vom 29.05.2019, Az. 2 U 121/18). Zwischen der als Betreuerin eingesetzten Mutter einer Bewohnerin und den Mitarbeitern der Einrichtung, in der die Tochter von ihrer Mutter untergebracht worden war, kam es wiederholt zu Unstimmigkeiten aufgrund der Konzeption der Einrichtung und dem sich daraus ergebenden Umgang der Mitarbeiter mit der Klientin. Die Betreuerin veranlasste daraufhin ihren Lebensgefährten dazu, sie bei ihren Besuchen in der Einrichtung regelmäßig zu begleiten.
Nach den aufgrund von mehreren Zeugenaussagen getroffenen Feststellungen des Gerichts kam es dabei regelmäßig zu einem erheblichen Fehlverhalten des Lebensgefährten. Dieser maßregelte die Mitarbeiter, erteilte ihnen Aufträge, beleidigte sie als „Idioten“ und die Einrichtung als „Saftladen“. Zeitweilig legte er es auch geradezu darauf an, eine Mitarbeiterin im Vorbeigehen anzurempeln. Häufiger hat er auch unmotiviert geschrien und geflucht und dabei mit einem Publikmachen über das Fernsehen und mit juristischen Schritten gedroht. Dieses Verhalten führte schließlich dazu, dass sich bei Anwesenheit des Lebensgefährten im gesamten Haus eine gespannte und angsterfüllte Atmosphäre ausbreitete und sich einige Mitarbeiter kaum noch in der Lage dazu sahen, ihrer Arbeit vernünftig nachzugehen. Gespräche der Heimleitung mit der Betreuerin und deren Lebensgefährten führten nicht zu einer Änderung dieses Verhalten – der Lebensgefährte der Betreuerin fühlte sich im Recht und war nicht bereit, sein Verhalten zu ändern.
Die Leitung der Einrichtung regte schließlich beim Betreuungsgericht einen Betreuerwechsel an. Nachdem dies abgelehnt wurde, kündigte die Leitung den Heimvertrag und verlangte die Räumung des von der Klienten bewohnten Zimmers. Da dem nicht nachgekommen wurde, wurde schließlich Räumungsklage erhoben.
Das OLG hat die Kündigung schließlich bestätigt und die Bewohnerin zur Räumung verurteilt. Dabei stellt das Gericht ausdrücklich fest, dass der schwerstbehinderten Bewohnerin selbst kein Vorwurf gemacht werden kann, diese müsse sich aber ein Fehlverhalten ihrer Betreuerin zurechnen lassen. Die Betreuerin hätte wiederum auf ihren Lebensgefährten einwirken müssen, damit dieser sein bedrohliches und beleidigendes Verhalten unterlässt oder auf die Begleitung durch ihn verzichten müssen.
Schließlich stellt das Gericht noch fest, dass man in solchen Fällen die Interessen beider Seiten gegeneinander abwägen müsse und dass das Interesse der schwerstbehinderten Bewohnerin an einem Verbleib in der gewohnten Umgebung und einer weiteren Betreuung durch das ihr vertraute Personal als sehr hoch einzuschätzen ist. Eine Abwägung würde in diesem Fall aber trotzdem zum Nachteil der Bewohnerin ausfallen – durch das Verhalten der Betreuerin und deren Lebensgefährten sei das für eine weitere Zusammenarbeit notwendige Vertrauensverhältnis so massiv gestört worden, dass nicht mehr mit einer Wiederherstellung gerechnet werden kann und eine Fortsetzung des Vertrags für die Einrichtung nicht mehr zumutbar ist.