Das neue Betreuungsrecht im Fokus

Aufgabe von selbstgenutztem Wohnraum des Betreuten

Mit der Betreuungsreform 2023 treten neue Regelungen des materiellen Rechts, also der Vorschriften, nach denen Betreuer*innen ihr Handeln auszurichten haben, in Kraft. Nachfolgend sollen die Regelungen des § 1833 BGB-neu, der das „Wohnen“ des*der Klienten*innen betrifft, skizziert werden.
14.11.2022
  • Katharina Rinne
    Katharina Rinne

Wesentliche Änderung: Während sich § 1907 BGB bisher lediglich auf die „Aufgabe der Mietwohnung“ bezieht und damit die Kündigung einer solchen im engeren Sinne erfasst, erstreckt sich § 1833 BGB-neu auf die Aufgabe von Wohnraum im allgemeinen. Wohnraum ist dabei (auch) ein Raum innerhalb eines Gebäudes, der dann „selbst genutzt“ ist, wenn er dauernd alleine oder auch mit anderen zusammen als räumlicher Lebensmittelpunkt zur privaten Lebensgestaltung genutzt wird. Damit genügt also bereits ein eigenes Zimmer oder auch ein Platz im Mehrbettzimmer einer Wohngemeinschaft oder einer Einrichtung, um den Anwendungsbereich des § 1833 BGB-neu zu eröffnen. Dies ist insbesondere in Hinblick auf die in Absatz 2 normierte Anzeigepflicht einer beabsichtigten Wohnraumaufgabe von Bedeutung.

Wann  findet § 1833 BGB-neu Anwendung?

§ 1833 BGB-neu kommt nur dann zur Anwendung, wenn die Wohnraumaufgabe „durch den Betreuer“ erfolgt, der*die Betreuer*in also stellvertretend handelt. Soweit der*die Klient*in selbst tätig wird und rechtlich wirksam handeln kann, (der*die Betreuer*in also nur unterstützend wirkt), greift § 1833 BGB-neu nicht. Allerdings mag die Aufgabe des bisherigen Wohnraums, die durch den*die Klient*in selbst erfolgt, ein Aufgabe  aus „anderem Grund“ darstellen und eine Anzeigepflicht nach § 1833 Abs. 2 BGB (hierzu auch s. weiter unten) auslösen;  es käme daneben auch  eine Mitteilungspflicht nach § 1864 Abs. 2 S. 1 BGB-neu in Betracht (wesentliche Änderung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse).

Des Weiteren erfasst § 1833 BGB-neu ausschließlich die personenrechtlichen, nicht die vermögensrechtlichen Aspekte der Betreuung. Es geht alleine um den (Erhalt von) Wohnraum als räumlichen Lebensmittelpunkt der Klient*innen und der mit diesem für die Klient*innen verbundenen sozialen Gefüge. Wenn es um Verfügungen über Grundstücke geht (Bsp.: Hausverkauf), ist daher zunächst zu prüfen, ob mit diesen Verfügungen auch die Aufgabe von Wohnraum (des*der Klient*in) verbunden ist oder nicht.   Bei Verfügungen über ein Grundstück, das nicht eigenen Wohnzwecken des*der Klienten*in dient, geht es insoweit nämlich ausschließlich um vermögensrechtliche Interessen des*der Klient*in  und in den Fällen ist § 1850 BGB-neu einschlägig.

Regelungsgehalt des § 1833 BGB-neu

§ 1833 Abs. 1 BGB-neu benennt zunächst die Voraussetzungen, unter denen der*die Betreuer*in den von der*dem Klienten*in selbstgenutzten Wohnraum aufgeben darf; in § 1833 Abs. 2 und 3 BGB-neu sind die gerichtlichen Kontrollmechanismen dieses Handelns bestimmt. 

§ 1833 Abs. 1 BGB-neu:

Erfolgt die Aufgabe des Wohnraums durch den*die Betreuer*in, so hat sich sein*ihr Handeln (wie jegliches Handeln der Betreuer*innen) nach denMaßstäben des § 1821 Abs. 2 bis 4 BGB-neu auszurichten. Primär also ist zu klären, ob der*die Klient*in Wünsche geäußert hat (§ 1821 Abs. 2 BGB-neu), ob diesen zu entsprechend ist (§ 1821 Abs. 3 BGB-neu) oder, wenn die die Wünsche nicht festgestellt werden können oder diesen nicht zu entsprechen ist, was der mutmaßliche Wille des*der Klient*in ist (§ 1821 Abs. 4 BGB-neu). 

Wenn der erklärte oder ermittelte Wunsch des*der Klient*in die Aufgabe des Wohnraums ist, hat der*die Betreuer*in diesem Geltung zu verschaffen, soweit nicht die Aufgabe des Wohnraums eine Gefährdung im Sinne des § 1821 Abs. 3 BGB-neu darstellt; die Gefährdung wird dabei in § 1833 Abs. 1 S. 2 BGB-neu konkretisiert.

§ 1833 Abs. 2 BGB-neu:

Ergänzt wird § 1833 Abs. 1 BGB-neu durch § 1833 Abs. 2 BGB-neu. Hiernach besteht eine Anzeigepflicht des*der Betreuer*in gegenüber dem Betreuungsgericht, wenn er*sie den Wohnraum aufzugeben beabsichtigt. Eine solche Anzeige hat zu einem möglichst frühen Zeitpunkt zu erfolgen, denn diese soll sicherstellen, dass nicht bereits durch tatsächliches Handeln des*der Betreuer*in (Bsp.: Leeräumen der Wohnung, ohne diese auch bereits zu kündigen) in erheblichem Maße in das Selbstbestimmungsrecht der Klient*innen eingegriffen wird und nur schwer rückgängig zu machende Fakten geschaffen werden. Dem Gericht muss also vorab ermöglicht werden, die (beabsichtigte) Wohnungsaufgabe zu prüfen; es kann im Rahmen seiner Aufsicht den*die Klientin zur beabsichtigten Wohnungsaufgabe anhören (§ 1862 Abs. 2 BGB-neu)  und auch, sofern es einen Verstoß gegen die Pflichten des*der Betreuer*in feststellt, mit Ge- oder Verboten einschreiten (§ 1862 Abs. 3 S. 1 BGB-neu). Die Prüfung des Gerichts bezieht sich dabei auf die Rechtmäßigkeit des Handelns des*der Betreuer*in, nicht auf das im Zusammenhang mit der Aufgabe abzuschließende Rechtsgeschäft. Das Genehmigungsverfahrens des Rechtsgeschäfts (z.B. die mit der Aufgabe der Wohnung einhergehende Kündigung) ist in § 1833 Abs. 3 BGB-neu bestimmt.

Die beabsichtigte Aufgabe  der Wohnung ist auch dann anzuzeigen, wenn diese aus anderen als den in § 1833 Abs. 1 S. 1 BGB-neu genannten Gründen erfolgt oder erfolgen muss (Bsp.: Kündigung des Vermieters). In einem solchen Fall wären in der Anzeige gegenüber dem Gericht Ausführungen dazu zu machen, ob gegen die Kündigung vorgegangen werden soll, ob bereits anderer Wohnraum zur Verfügung steht, welche Wünsche der*die Klient*in diesbezüglich hat, etc.

§ 1833 Abs. 2 BGB-neu ist nicht eindeutig in Bezug darauf, ob die Anzeigepflicht auch dann besteht, wenn sie durch den *die Klient*in selbst erfolgt. Vorsorglich sollten Betreuer*innen auch in einem solchen Fall die beabsichtigte Aufgabe durch den*die Klient*in  anzeigen. 

Merke: Die beabsichtigte Wohnungsaufgabe ist dem Gericht mit Darlegung der Gründe und der Sichtweise des*der Klient*in frühzeitig anzuzeigen. Auch eine Wohnungsaufgabe in Folge einer Kündigung durch den Vermieter ist anzuzeigen. Bei einer Wohnungsaufgabe durch den*die Klient*in selbst, sollte vorsorglich das Gericht hiervon unterrichtet werden.

§ 1833 Abs. 3 BGB-neu

Hier findet sich nun das Genehmigungsverfahren für die mit der Wohnungsaufgabe verbundenen Rechtsgeschäfte. Wie bisher sind Kündigungen, die Betreuer*innen stellvertretend für die Klient*innen aussprechen, genehmigungspflichtig.  Wie bisher ist eine Kündigung ohne Genehmigung unwirksam. Die Genehmigung muss also vor Kündigungserklärung erfolgen; eine nachträgliche Heilung ist nicht möglich. Das Genehmigungserfordernis nach Nr. 1 und Nr. 2 erstreckt sich allerdings ausschließlich auf die Beendigung eines Mietverhältnisses. Die Kündigung eines Heimplatzes ist hiervon nicht erfasst, da es sich nach dem WBVG nicht um einen Mietvertrag sondern um einen Vertrag eigener Art handelt. In der Gesetzesbegründung wird des Weiteren auf den Schutzgedanken des VBVG verwiesen und ausgeführt: „Es geht um die Freiheit des Bewohners (hier des Verbrauchers), auszuziehen, wie er will. Ein übliches Genehmigungsverfahren, bei dem erst der Eintritt der Rechtskraft der Genehmigung abgewartet werden muss, würde die kurzen Kündigungsfristen aus dem WBVG unwirksam machen. Deshalb ist eine beabsichtigte Heimplatzkündigung dem Gericht lediglich nach Absatz 2 anzuzeigen.“ (Bt-Drs. 19/2445, S. 263)

Merke: Bei Kündigung eines Heimplatzes ist zwar kein Genehmigungsverfahren erforderlich, die Anzeigepflicht gegenüber dem Betreuungsgericht nach Absatz 2 bleibt aber bestehen