BGH, Beschluss vom 15. Juni 2022, Az. XII ZB 85/22

Betreuung trotz wirksamer Vorsorgevollmacht

Immer wieder haben sich die Gerichte mit dem Verhältnis von Betreuungsbestellung und (Vorsorge)vollmacht auseinanderzusetzen. In seinem Beschluss vom 15. Juni 2022 bestätigte der BGH seine Rechtsprechung, dass auch bei einer wirksamen Vorsorgevollmacht eine Betreuung erforderlich sein kann; nämlich dann wenn der Bevollmächtigte ungeeignet ist, die Angelegenheiten des Betroffenen zu besorgen.
30.08.2022
  • Katharina Rinne
    Katharina Rinne

 Insbesondere weil zu befürchten ist, dass die Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen durch den Bevollmächtigten eine konkrete Gefahr für das Wohl des Betroffenen begründet. Dies ist u.a. anzunehmen, wenn erhebliche Bedenken an dessen Redlichkeit bestehen.

Hinweis:

Betreuer*innen sollten wissen, unter welchen Voraussetzungen und wie sie Vollmachten widerrufen können oder ggf. müssen; ein pflichtwidrig unterlassener Widerruf einer Vollmacht kann haftungsrechtliche Konsequenzen haben. Der Widerruf einer Vollmacht bedarf in jedem Fall eines entsprechenden Aufgabenkreises. Der Aufgabenkreis zum Widerruf einer Vollmacht darf dem*der Betreuer*in wiederum nur dann übertragen werden, wenn das Festhalten an der erteilten Vorsorgevollmacht eine künftige Verletzung des Wohls des*der Betroffenen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit und in erheblicher Schwere befürchten lässt und mildere Maßnahmen zur Abwehr eines Schadens für den*die Betroffene*n nicht geeignet erscheinen.

Wird dem*der Betreuer*in also bekannt, dass eine Vollmacht besteht, ist daher in jedem Fall das Betreuungsgericht zu informieren. Die Betreuerbestellung erlischt nicht automatisch, weil eine Vollmacht besteht. Was im Folgenden vom Gericht zu veranlassen ist, hängt davon u.a. davon ab, ob die Vollmacht wirksam ist. Als Möglichkeiten gibt es insoweit: Widerruf der Vollmacht durch das Gericht, Bestellung eines*r Kontrollbetreuers*in oder Aufhebung der Betreuung.