Rechtliche Einordnung

Umgang mit aggressiven Klient*innen

Es ist keine Seltenheit, dass man im Betreuungsalltag auch mit schwierigen Klient*innen umgehen muss. Doch was, wenn es über einen "schwierigen" Umgang hinaus geht; wenn also der*die Klient*in (oder die Angehörigen) aggressiv sind oder verbal übergriffig werden oder - im schlimmsten Fall - die Aggression in unmittelbare körperliche Gewalt übergeht? Welche rechtlichen Möglichkeiten haben Betreuer*innen, wenn sie (wiederholt) beleidigt oder bedroht oder körperlich angegangen werden?
12.02.2024
  • Katharina Rinne
    Katharina Rinne

Ob und wenn welches rechtliche Instrument ergriffen werden sollte, hängt dabei auch von den konkreten Umständen des „Fehlverhaltens“ [1]  ab. Wie ernsthaft ist eine Bedrohung? Ist diese lediglich aus einer „momentanen“ Frustration heraus geäußert worden? Ist der*die Klient*in gewaltgeneigt? Ist der*die Klient*in körperlich überlegen? Kennt der*die Klient*in die Privatadresse? Ist der*die Klient*in dement? Welcher Grad der Aggression ist gegeben? Um nur einige Fragen beispielhaft zu nennen.  

Hausrecht

Zunächst gilt grundsätzlich: Betreuer*innen können sich auch gegenüber Klient*innen auf ihr Hausrecht berufen, z.B. wenn ein Fehlverhalten im eigenen Büro vorliegt. Hausrecht ist die rechtlich geschützte Befugnis, andere am widerrechtlichen Eindringen in die eigene Wohnung oder die eigenen Geschäftsräume zu hindern und zum Verlassen zu zwingen. Kommt der*die Klient*in der Aufforderung zum Verlassen der Räume (Hausverbot) nicht nach, so kommt eine Anzeige wegen Hausfriedensbruchs (§ 123 StGB) in Betracht. Zur Durchsetzung des Hausverbotes kann auch polizeiliche Hilfe in Anspruch genommen werden. Ein Hausverbot muss im Übrigen nicht begründet werden. Wird der*die Klient*in z.B. von einem Dritten begleitet, kann diesem Dritten der Zugang zu den (Büro)räumen ohne weitere Begründung untersagt werden.

Anders allerdings, wenn Klient*innen in deren Räumlichkeiten aufgesucht werden; hier entscheidet der*die Klient*in, wer sich in dem Raum noch mit aufhalten darf. Wenn die Anwesenheit des Dritten dem*der Betreuer*in nicht „angenehm“ ist, aber der*die Klient*in auf die Anwesenheit des Dritten besteht, so wird man das Gespräch abbrechen müssen und - je nach Verhalten des Dritten dem*der Betreuer*in gegenüber - auch dürfen. Haben Klient*innen ihren Aufenthalt in einer Einrichtung, so obliegt dem Einrichtungsträger das Hausrecht. Allerdings ist die Ausübung des Hausrechts von Einrichtungen nicht ganz unproblematisch, bedarf der umfassenden Abwägung der widerstreitenden Interessen und wird - da es in jedem Fall nur als ultima ratio angewendet werden darf - wohl nicht geeignet sein, gegen den Wunsch der Klient*innen Dritte (z.B. Angehörige) der Räumlichkeiten zu verweisen, alleine um ein (ungestörtes) Gespräch zwischen Klient*in und Betreuer*in zu ermöglichen.

Strafanzeige

Jedem*r steht das Recht zu, strafrechtlich relevantes Verhalten zur Anzeige zu bringen. Dieses Recht steht selbstverständlich auch Betreuer*innen den Klient*innen gegenüber zu und entfällt nicht aufgrund eines besonderen Pflichtenverhältnisses aus der Betreuung.  Dass mit einer Strafanzeige der*die Klient*in einer strafrechtlichen Verfolgung, im schlimmsten Fall einer Verurteilung, „ausgesetzt“ wird, steht dem nicht entgegen. Voraussichtlich wird zwar das für eine Betreuung notwendige Vertrauensverhältnis durch eine Strafanzeige geschädigt, dennoch ist es Betreuer*innen nicht gesetzlich untersagt, strafrechtliche Schritte auch gegen den*die Klienten*in einzuleiten. Da im Übrigen Betreuer*innen keiner Schweigepflicht unterliegen, können sie den Sachverhalt im gebotenen Umfang darstellen; dies wäre ferner - selbst bei Bestehen einer Schweigepflicht oder unter datenschutzrechtlichen Aspekten - zur Wahrung der eigenen berechtigten Interessen gerechtfertigt. 

Abgabe der Betreuung

Nach § 1868 Abs. 4 BGB entlässt das Betreuungsgericht den*die Betreuer*in auf eigenen Wunsch, wenn Umstände eingetreten sind, aufgrund derer die Führung der Betreuung nicht mehr zugemutet werden kann. Der Begriff der Zumutbarkeit ist weit gefasst und es kommt auch nicht darauf an, ob die Umstände in der Person des*der Klient*in oder in der Person des*der Betreuer*in begründet sind. Über das Vorliegen einer Unzumutbarkeit entscheidet das Gericht nach eigenem Ermessen unter Berücksichtigung der Interessen des*der Betreuer*in an der Entlassung und dem Interesse des*der Klient*in, den*die bisherige*n Betreuer*in zu behalten. Ein intensives Fehlverhalten, u.a. wenn die Grenze zwischen Aggression und Gewalt überschritten ist, wird - insoweit wohl unstreitig - die Abgabe der Betreuung begründen.

Das tatsächliche Problem liegt allerdings in der (zeitnahen) Umsetzung. Denn es liegt nicht nur in der Entscheidungskompetenz des Gerichts, dem Antrag auf Abgabe stattzugeben, sondern auch in dessen Entscheidungsmöglichkeit. Es muss eine andere Betreuerin oder ein anderer Betreuer zeitnah gefunden werden. Und solange die Betreuung noch besteht, bestehen auch die Pflichten des*der Betreuer*in weiter. Allerdings wird man je nach „Gefahrenlage“, die Tätigkeit auf das notwendigste reduzieren können. Die Betreuung wird z.B. „vom Schreibtisch aus“ geführt, wenn der unmittelbare persönliche Kontakt nicht zumutbar ist.

Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) als „Wie-Berufskrankheit“?

Wenn es in Folge einer Bedrohungssituation oder eines Übergriffs zu einer PTBS kommen sollte, stellt sich auch die Frage der versicherungsrechtlichen Absicherung der*die Betreuer*in. Gemäß § 9 Abs. 1 SGB VII zählen Krankheiten als Berufskrankheiten zunächst nur dann, wenn sie in der Berufskrankheiten-Verordnung (BKVO) als solche bezeichnet sind. Psychische Erkrankungen gehören allerdings nicht zu den in der BK-VO aufgezählten Berufskrankheiten, werden aber teilweise als sog. „Wie-Krankheiten“ angesehen. So hat das Bundessozialgericht (BSG) in einer Entscheidung vom 22.6.2023 (Az.  B 2 U 11/20 R) entschieden, dass dies durchaus der Fall sein kann. Allerdings ging es um posttraumatische Belastungsstörungen bei Rettungssanitäter*innen und das Gericht führte aus, dass wegen der besonderen Einwirkungen, denen Rettungssanitäter*innen gegenüber der übrigen Bevölkerung ausgesetzt sein, PTBS als Wie-Berufskrankheit bei dieser Personengruppe generell abstrakt anzuerkennen sei. Rettungssanitäter*innen seien einem erhöhten Risiko der Konfrontation mit traumatisierenden Ereignissen (z.B. erfolglose Rettungsmaßnahmen, Auffinden von Suizidenten und insbesondere das Auffinden und Bergen von Kindern) ausgesetzt. Ob diese Wertung in gleichem Maße auf Berufsbetreuer*innen Anwendung finden kann, erscheint zweifelhaft. Und auch dann, wenn für Berufsbetreuer*innen ein allgemeines Risiko einer PTBS angenommen würde, käme es bei der Inanspruchnahme der Versicherung weiterhin auf die konkreten Umstände des Einzelfalls an.  

Fortbildungs- und Veranstaltungshinweise

Zum Umgang mit schwierigen Klient*innen bietet u.a. auch das ipb regelmäßig Veranstaltungen an, etwa in diesem Jahr das Seminar in Rostock. 


[1] Nachfolgend wird der Begriff „Fehlverhalten“ genutzt; dies ist mit keiner Wertung über die Intensität der Bedrohungssituation verbunden.

 

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