Politisches Gespräch

Fraktion Die Linke: Bundesteilhabegesetz lässt Bürokratie wuchern

Die Sprecherin für Sozial- und Gesundheitspolitik der Fraktion Die Linke im hessischen Landtag Christiane Böhm zeigte sich erschüttert über die Folgen des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) für die tägliche Arbeit von Berufsbetreuer*innen.
15.05.2020
  • Christiane Böhm

    Christiane Böhm (c)Sonja Thomas

     

Wiesbaden, den 15. Mai 2020 – Überbordende Bürokratie sorge dafür, dass sich die Aufwände erheblich gesteigert haben, berichteten Vertreter der Landesgruppe Hessen des Bundesverbands der Berufsbetreuer/innen (BdB). Dazu sagte die Politikerin: „Dass es Mehrarbeit für die Betreuer gibt, war mir schon klar. Aber ich bin sehr erstaunt darüber, wieviel Mehrarbeit es tatsächlich geworden ist. Aus meiner früheren Tätigkeit als Berufsbetreuerin weiß ich gut, dass die Bürokratie sehr belastend ist. Es kann aber nicht im Interesse der Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigungen sein, dass sie für Anträge zum BTHG nun häufiger eine Betreuung benötigen." 

Die Politikerin hatte Eberhard Marten, Monika Leeker und Manuel Rudolph vom BdB-Landesvorstand zu einem Gespräch geladen und um deren Einschätzung zum BTHG, zur Corona Krise und zum Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz (PsychKHG) gebeten. Das Gespräch fand in Form einer Videokonferenz statt.

Landessprecher Eberhard Marten stellte fest: „In meinem Betreuungsbüro ist durch BTHG eine Mehrarbeit von etwa 30 Prozent entstanden, vorwiegend durch umfangreiche Neuanträge bei Sozialämtern, Rentenversicherung, Familienversicherung und Wohngeld. Ärgerlich sind die seitenlangen Formulare und die Besorgung und Weiterleitung von Nachweisen und Informationen (z.B. Lohnabrechnungen aus Werkstätten für behinderte Menschen), obwohl der Landeswohlfahrtsverband Datenübertragung in Aussicht gestellt hatte. Jede Stadt und jeder Landkreis verwenden andere Formulare. Bei manchen Ämtern hat die Bearbeitung bis zum Bescheid bis März 2020 gedauert. Bei manchen sind schon wieder die Weiterbewilligungsanträge fällig. So hat beispielsweise die neue Regelung zum Mittagessen in Behindertenwerkstätten bei allen, auch bei den Ämtern, für Kopfschütteln gesorgt. Im Moment sehe ich durch Einführung des Bundesteilhabegesetzes keinen Gewinn für die Betreuten.“

Ein weiteres wichtiges Thema des Gesprächs war die aktuelle Arbeitssituation unter dem Einfluss von Corona und den Kontakt-, Abstands- und Hygieneregeln. Die Vertreter des BdB gaben zu bedenken, dass einige Anbieter für Ambulant Betreutes Wohnen aus Sicherheitsgründen derzeit keinen persönlichen Kontakt mehr aufrechterhalten.

Eberhard Marten, Monika Leeker und Manuel Rudolph: Wie so oft müssen wir Betreuer/innen diese Versäumnisse auffangen und den persönlichen Kontakt selbst aufrechterhalten. Psychisch kranke Menschen, die häufig einsam und zurückgezogen leben, sind auf diese wenigen persönlichen Kontakte angewiesen. Ohne das Ambulant Betreute Wohnen sind Krisen programmiert. Erschwerend kommt hinzu, dass auch Tagesstätten und Behindertenwerkstätten Betretungsverbote ausgesprochen haben.“

Christiane Böhm, die auf 15 Jahre Tätigkeit als Betreuerin zurückblickt, sagte zu, eine kleine Anfrage zur Betreuungsreform und einen Berichtsantrag zur Umsetzung des BTHG in den Sozial- und Integrationspolitischen Ausschuss (SIA) einzubringen.

Die Runde war sich einig, dass ein regelmäßiger Austausch wichtig und nötig ist. Insbesondere im Blick auf den Reformprozess im Betreuungsrecht will man im Gespräch bleiben. Beide Seiten wollen die Haltung der hessischen Landesregierung kritisch beobachten. Ein nächstes Treffen soll im kommenden Jahr folgen.