Gerichtliche Weisung zur stellvertretenden Einwilligung
Wir haben Ende 2020 ausführlich auf die Pflichten von Betreuer*innen in Zusammenhang mit der Impfung von Heimbewohner*innen hingewiesen, siehe dazu z.B. unser Infoblatt, das Sie unter diesem Link herunterladen können.
Eine stellvertretende Einwilligung kommt ohnehin nur im Fall eines*r nicht einwilligungsfähigen Klient*in in Betracht. Sofern Einwilligungsfähigkeit vorliegt, kann ein*e Betreuer*in nur beratend tätig werden. Für den Fall, dass eine stellvertretende Einwilligung erforderlich ist, raten wir grundsätzlich dazu, zunächst den behandelnden Arzt zu befragen. Zwar obliegt die Entscheidung darüber, ob eine Impfung überhaupt indiziert ist oder aufgrund von Vorerkrankungen nicht durchgeführt werden darf, grundsätzlich dem die Impfung vornehmenden Arzt, der muss auch das übliche Aufklärungsgespräch anbieten. Der behandelnde Arzt kennt den Patienten aber besser und kann deshalb möglicherweise eher erkennen, ob eine Impfung im Einzelfall unterbleiben sollte und deshalb wertvolle Hinweise geben. Im Zweifel sollte zusätzlich auch mit dem die Impfung ausführenden Arzt darüber gesprochen werden, ob die Impfung indiziert ist oder ob ein unverhältnismäßig hohes Risiko von Komplikationen besteht.
Und schließlich muss die Frage der Impfung selbstverständlich mit dem*r Klient*in besprochen werden. Gegen dessen oder deren „natürlichen Willen“ darf jedenfalls keine Impfung vorgenommen werden, eine Genehmigung einer „Zwangsimpfung“ auf Grundlage des § 1906a BGB halten wir für ausgeschlossen. Nur, wenn der*die Klient*in eine Entscheidung des Betreuers für eine Impfung akzeptieren – die Impfung also „über sich ergehen lassen“ – würde, kommt deshalb überhaupt eine Impfung auf Grundlage einer stellvertretenden Entscheidung in Frage. Dabei müsste der Betreuer sich dann am mutmaßlichen Willen des Klienten orientieren. Eigene Maßstäbe und Wertvorstellungen des Betreuers müssen außer Betracht bleiben.
Betreuer*innen „schulden“ lediglich ein entsprechendes Verhalten, also ein korrektes Vorgehen. Wer diese Vorgaben missachtet und z.B. aufgrund eigener Überzeugung die Einwilligung in die Impfung seiner*ihrer Klient*innen generell und ohne Berücksichtigung der Wünsche und Vorstellungen der Klient*innen verweigert, handelt pflichtwidrig und kann deshalb u.U. auch aus dem Betreueramt entlassen werden. Siehe dazu auch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Beschl. v. 31.05.2021, 1 BvR 1211/21) zu diesem Thema, auf die wir u.a. hier auf unserer Internetseite berichtet haben. Das Betreuungsgericht kann eine*n Betreuer*in deshalb zwar zu einem bestimmten Verhalten anhalten, also z.B. den (mutmaßlichen) Willen eines*r Klient*in zu berücksichtigen oder auch zunächst einmal mit dem*der Klient*in die Frage der Impfung zu besprechen. Es kann aber nicht die Weisung erteilen, ein bestimmtes Ergebnis herbeizuführen, zumal es in manchen Fällen auch unmöglich sein kann, die Akzeptanz einer Impfung durch eine*n Klient*in herbeizuführen. Man kann nur hoffen, dass die Weisung „Willigen Sie in die Impfung ein“ in dieser Form in einem Beschwerdeverfahren keinen Bestand haben würde.