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Stellungnahme

Neues Verfahren vor dem BVerfG zur Frage sogenannter Zwangsbehandlungen

Der BdB hat zu einem neuen Verfahren des Bundesverfassungsgerichts zu ambulanten ärztlichen Zwangsmaßnahmen (Az. 1 BvR 1575/18) umfangreich Stellung genommen. Konkret geht es darum, dass ärztliche Zwangsmaßnahmen gemäß § 1906a Abs. 1 Nr. 7 BGB ausschließlich im Rahmen einer Unterbringung oder eines stationären Aufenthalts in einem Krankenhaus zulässig sind. Wann in diesem Verfahren entschieden wird und ob sich daraus Konsequenzen für das Betreuungsrecht ergeben, lässt sich noch nicht absehen.

    Bislang haben sich Gesetzgeber und viele Verbände wie der BdB strikt gegen jede Form einer sogenannten ambulanten Zwangsbehandlung ausgesprochen. In dem aktuellen Verfahren geht es nun um Fallkonstellationen, in denen nicht mehr einwilligungsfähige Heimbewohner ohne erkennbaren Grund die Einnahme wichtiger Medikamente verweigern. Da eine sogenannte verdeckte Medikamentengabe aufgrund der derzeitigen Fassung des § 1906a BGB nicht zulässig ist, müssen diese aus ihrer vertrauten Umgebung herausgerissen werden, wenn man Gefahren für Leben und Gesundheit mit einer Zwangsmedikation begegnen will. Hiergegen wird vorgebracht, dass dies in Fällen, in denen eine verdeckte Medikamentengabe nicht mit weiteren Gefahren verbunden ist, gegen das Übermaßverbot verstoßen würde. Und der Staat darf – wenn mehrere Erfolg versprechende Möglichkeiten zur Auswahl stehen – immer nur die den Bürger am wenigsten belastende Alternative wählen.

    Andererseits sind ambulante Zwangsbehandlungen in Deutschland aus guten Gründen unzulässig. Behandlungen gegen den natürlichen Willen eines Menschen sind im Regelfall mit Gefahren verbunden, so dass es gesichert sein muss, dass notfalls umgehend ärztliche Hilfe in Anspruch genommen werden kann. Außerdem könnte jede Lockerung dieses Verbots eine „Türöffnerfunktion“ haben. Eine verdeckte Medikamentengabe in der vertrauten Umgebung wird eventuell weniger belastend als eine Zwangsbehandlung mit Zuführung und Gewaltanwendung empfunden und deshalb möglicherweise eher großzügig genehmigt. Aus diesem Grund könnten Zwangsbehandlungen nach und nach immer häufiger genehmigt werden. Ziel muss es aber sein, solche Behandlungen auf das unerlässliche Mindestmaß zu reduzieren.

    In seiner Stellungnahme erklärt der BdB, warum eine ambulante Zwangsbehandlung unter den zurzeit gegebenen Bedingungen weiterhin unzulässig bleiben sollte. Eine sehr eingeschränkte Ausnahmeregelung lässt sich nach Erachten des Verbandes nur in mittlerer Zukunft unter verbesserten Rahmenbedingungen verantworten.