BdB-Jahrestagung 2015
Eröffnet wurde die Tagung durch Grußworte und Vorträge.
Vortrag Prof. Dr. Heribert Prantl: Menschenwürde im deutschen Sozialstaat: Geteiltes Recht?
Prof. Dr. Heribert Prantl ist bekannt als Mitglied der Chefredaktion der Süddeutschen Zeitung und Leiter der Redaktion Innenpolitik. Auf der Jahrestagung des BdB e.V. sprach er über Menschenwürde im deutschen Sozialstaat.
Vortrag Klaus Förter-Vondey: Qualität in der Betreuung: Strukturelle Verbesserungen sind überfällig!
Die Qualität in der Betreuung war das Thema des Eröffnungsvortrages unseres langjährigen Vorsitzenden Klaus Förter-Vondey. Den Vortrag und die dazu gehörigen Präsentationsfolien können Sie herunterladen:
§ 1901 BGB verpflichtet den Betreuer, Wohl und Wünsche des Klienten zu berücksichtigen. In Abs. 2 heißt es u.a. ausdrücklich: „Zum Wohl des Betreuten gehört auch die Möglichkeit, im Rahmen seiner Fähigkeiten sein Leben nach seinen eigenen Wünschen und Vorstellungen zu gestalten.“
Wohl und Wünsche sind also keine Gegensätze. Die Möglichkeit, nach den eigenen Wünschen und Vorstellungen zu leben, ist vielmehr - neben anderen Aspekten - ein Teil des Wohls. Wie verhält es sich aber z.B., wenn ein Wunsch des Klienten wirtschaftlich unvernünftig ist - was hat Vorrang, das objektive (finanzielle) Wohl oder der Wunsch des Klienten? Hat es einen messbaren Wert, dass der Klient das Gefühl hat, auch weiterhin die wesentlichen Entscheidungen zu treffen, den man mit damit verbundenen finanziellen Verlusten „gegenrechnen“ kann? Und wie verhält es sich, wenn ein Vorhaben des Klienten mit Gefahren - z.B. für die Gesundheit - verbunden ist? Besteht ein Haftungsrisiko, wenn der Klient einen wirtschaftlichen Schaden erleidet, weil der Betreuer dessen Wünsche umgesetzt hat?
Im Rahmen der Arbeitsgruppe werden einige Fallkonstellationen zu diesen Fragen durchgesprochen und es soll versucht werden, einige Hinweise für ein sachgemäßes Vorgehen zu entwickeln.
Etwa 25 Prozent der Klient/innen in der Berufsbetreuung sind Menschen mit demenziellen Erkrankungen; angesichts der demografischen Entwicklung sind weitere Steigerungen absehbar. Die meisten Formen der Demenz verlaufen mehr oder weniger fortschreitend, verbunden mit einem Verlust an Denkfähigkeit und Gedächtnisleistung. Die individuelle Beeinträchtigung trifft auf soziale bzw. kulturelle Faktoren: Ein negatives Bild von Demenz belastet die Beziehungen. Typischerweise wird Demenz als defizitärer Zustand, als individuelle Tragödie und als eine medizinische Herausforderung wahrgenommen; weitgehend unsichtbar bleiben die unterschiedlichen Ressourcen und Potenziale demenziell erkrankter Personen und die vielfältigen Barrieren, die den betroffenen Personen das Leben schwer machen. Willensäußerungen von Menschen mit Demenz werden oft nicht ernstgenommen, Wünsche missachtet. Ein Beispiel: Nur selten berücksichtigen Ärzte die besonderen kommunikativen Bedürfnisse im Zusammenhang mit einer Demenz; die betroffenen Patient/innen können ihr Selbstbestimmungsrecht nicht wahrnehmen, weil keine geeigneten Aufklärungsgespräche stattfinden. Die kritische Versorgungssituation im häuslichen wie stationären Bereich – Pflege unter Zeitdruck, Missachtung psychosozialer Unterstützungsbedarfe, der verbreitete Missbrauch freiheitsentziehender Maßnahmen – birgt weitere Risiken für die Lebenssituation von Menschen mit Demenz.
Die rechtliche Betreuung erfüllt eine Schlüsselfunktion, wenn Selbstbestimmung und Würde im Zusammenhang mit einer kognitiven Beeinträchtigung auf dem Spiel stehen: Sind dementiell erkrankte Personen nicht in der Lage, ihre Interessen gegenüber dem Arzt oder einem Pflegedienst zu kommunizieren und durchzusetzen, dann sorgen qualifizierte Betreuer/innen – beratend, vermittelnd und bei Bedarf auch stellvertretend – dafür, dass sie ihre Interessen und Rechte gleichberechtigt mit Anderen wahrnehmen können.
Im ersten Teil der Arbeitsgruppe fokussieren wir das Thema „Kommunikation mit Menschen mit Demenz“. Was ist hier zu berücksichtigen? Wie kann die Kommunikation in den unterschiedlichen Phasen der Demenz gestaltet werden? Welche fachlichen Kriterien und methodischen Ansätze sind relevant? Im zweiten Teil werden wir ein Fallbeispiel aus der Betreuungspraxis präsentieren und zur Diskussion stellen. Im Mittelpunkt steht die Frage: Wie lange kann eine ambulante Versorgung verantwortet bzw. gewährleistet werden?
Betreuung hat die Aufgabe, die Rechts- und Handlungsfähigkeit von Menschen mit Behinderung zu stärken. Die Stärkung der Rechts-und Handlungsfähigkeit erfolgt im Rahmen einer Betreuung – unabhängig von der Festlegung von Aufgabenkreisen - in allen Lebensbereichen, in denen sich die Menschen bewegen und handeln. Damit wird uns für ein großes und kaum überschaubares berufliches Handlungsfeld eine hohe Verantwortung übertragen. Wir spüren den Verantwortungsdruck täglich in den Gesprächen mit Klient/innen, Ärzt/innen und Vermieter/innen, in Konferenzen und Verhandlungen, bei der Formulierung von Anträgen, der Sicherstellung von Versorgung und der Einteilung von Verfügungsgeld. Um wie vieles leichter und zufriedenstellender könnten wir unsere Aufgaben bewältigen, verfügten wir über fachliche Orientierungen und Empfehlungen für unser berufliches Handeln. Das schüfe mehr Handlungssicherheit für die Berufsinhaber/innen. Die Öffentlichkeit wüsste besser, was sie von Betreuung zu erwarten hat und andere Unterstützungssysteme könnten ihre beruflichen Verfahren auf die Betreuung abstimmen.
Im Arbeitskreis 3 wird ein standarisiertes berufliches Handeln am Beispiel der Gesundheitssorge vorgestellt und diskutiert.
Das Persönliche Budget dient der Stärkung des Selbstbestimmungsrechts der Menschen mit Behinderung. Das bezieht sich hauptsächlich auf die Umsetzung der Teilhabeleistungen. Oder anders gesagt: die Organisation und Steuerung der Versorgungsmaßnahmen.
Das ist eine tolle Sache, hat allerdings auch einen Haken: ist der Mensch mit Behinderung an der Ausübung seiner Selbstbestimmung gehindert, fällt diese Möglichkeit der Gestaltung von Teilhabeleistungen – im Zweifel sogar die Teilhabeleistungen insgesamt - weg.
In diesen Fällen sehen die Leistungsträger in der Regel die Betreuer und Betreuerinnen in der Pflicht. Sie sollen es dann richten. Im Zusammenhang mit der ohnehin schon viel zu knapp bemessenen bezahlten Zeit pro Betreuungsfall in der Regel eine Zumutung. Einzige Lösungsmöglichkeit: Es gibt ein nutzbares und wirkungsvolles Beratungs- und Unterstützungsangebot neben der rechtlichen Betreuung.
Problematisch ist aber auch die oft anzutreffende Situation, dass die zur Umsetzung der stark individualisierten Hilfen beim Persönlichen Budget die notwendigen Maßnahmen oder Helfer gar nicht verfügbar sind. Daraufhin organisierte Hilfskonstrukte, meist auf der Basis von unqualifizierten Helfern, vor allem schlecht bezahlten Helfern, kranken daran, dass unter diesen Bedingungen der eigentliche Sinn der Hilfen, nämlich die Sicherstellung von Teilhabe, nicht oder nicht in dem möglichen Maße stattfindet.
In dieser Arbeitsgruppe soll erarbeitet werden, welche Möglichkeiten zur Lösung dieser Probleme denkbar und realisierbar sind und welche Anforderungen aus Sicht der Betreuer und Betreuerinnen bei der Neuschaffung eines Bundes-Teilhabegesetzes zu berücksichtigen sind.
Kinder benötigen Schutz ! Was hat der /die Berufsbetreuer/in zu tun?
Die Zahl der Gefährdungsmeldungen bezogen auf Kinder und Jugendliche im familialen Kontext nimmt von Jahr zu Jahr zu. Die Aufmerksamkeit der Fachkräfte in der sozialen Arbeit und die soziale Verantwortung in der Gesellschaft schärfen den Blick auf die schutzwürdigen Belange von Kindern und Jugendlichen für ihr Wohl. Insbesondere für die Profession der Berufsbetreuerinnen und Berufsbetreuer ergibt sich hieraus eine besondere fachliche Herausforderung. Sie sind vielfach konfrontiert mit den prekären Lebenslagen von Familien und den hiervon ausgehenden schädigenden Einflüssen auf die betroffenen jungen Menschen.
Menschen mit Behinderungen und Handicaps werden selber Eltern. Andere geraten mit Ihrer Familie im Verlauf einer Krise (Trennung, Krankheit, Schicksalsschläge) in eine dauerhafte Zwangslage bzw. in eine psycho-soziale Ausnahmesituation. Dies geht einher mit einer Entwicklung lebenspraktischer Unzulänglichkeiten für die Betroffenen, die Unfähigkeit zur Regulierung der eigenen Angelegenheiten, Verschuldung, Armut, Krankheit oder Suchtabhängigkeit. Schon für sich genommen ein bedrohlicher Zustand, sofern nur die betroffenen Erwachsenen im Blick sind. Die Einrichtung einer gesetzlichen Betreuung soll und kann dann Hilfe und Unterstützung bedeuten mit dem Ziel, Krisen überwinden zu helfen.
Sind eigene Kinder des oder der Betreuten vorhanden, bekommt die Situation eine besondere Brisanz. Es geht dann nicht nur mehr um die Interessen und die Angelegenheiten der Erwachsenen (der Eltern / Elternteile). Kinder sind im Zuge der Konfliktentwicklung und einer hiermit ggf. in Verbindung stehenden Eskalation das „schwächste Glied“. Sie stehen unter dem besonderen Schutz des Staates (Artikel 6, Abs. 2, Satz 2 GG). Mit deren besonderen Förderungs- und Schutzinteressen wird der/die Betreuer/in unweigerlich konfrontiert und muss sich hiermit auseinandersetzen.
In der AG sollen folgende Fragen aufgegriffen werden:
- Typische Fallkonstellationen im Kontext einer Gefährdungslage für Kinder- u. Jugendliche;
- Definition sog. gewichtiger Anhaltspunkte für eine Gefährdungslage gem. § 8a SGB VIII - psycho–soziale Folgewirkungen;
- Rolle und Auftrag des/der Berufsbetreuer/-in im Kinderschutz sowie Abgrenzungen zu anderen Professionen, u.a. Jugendamt, Gesundheitshilfe, Familiengericht (Bezug: Bundeskinderschutzgesetz);
- Der/Die Berufsbetreuer/in als sog. Berufsgeheimnisträger/in gem. § 4 BKSchG u. § 8b SGB VIII – Verfahren, Anspruch auf Beratung und Unterstützung;
- Bestandteile eines Schutzkonzeptes für den Handlungs- und Verantwortungsbereich des/der Berufsbetreuer/in,
- Mitwirkung in den lokalen Verantwortungsgemeinschaften (Jugendhilfe, Justiz, Leistungsanbieter) Schutz und frühe Hilfen.
Es besteht die Möglichkeit, eigene fallbezogene Fragen und Themen aufzugreifen.
Die Beratung von Bevollmächtigten sowie die Beratung zur Vollmachtserteilung ist schon lange Aufgabe der Querschnittsmitarbeiter eines Betreuungsvereins.
Was sich noch vor 5 Jahren so einfach anhörte, hat heute deutlich an Brisanz gewonnen.
Ein vollkommen geändertes demographisches Umfeld, die zunehmende Verrechtlichung der einfachsten Lebenssachverhalte, aber auch die zunehmende Regressbereitschaft der Gesellschaft geraten verstärkt in den Fokus.
Angefangen bei der rechtlichen Grundlage, hin über die Frage der Vollmachtserteilung bis abschließend zur innenrechtlichen erforderlichen Ausgestaltung – das ganze Spektrum des „Risikos Vorsorgevollmacht“ soll dargestellt werden.
Hierbei wird weder verkannt, dass die Bevollmächtigten in der Regel rechtsunkundige Familienangehörige sind, noch dass sowohl für Vollmachtgeber wie Vollmachtnehmer ein erhebliches Haftungsrisiko besteht.
Am Ende steht die Frage, ob die Betreuungsverfügung nicht das geeignetere Instrument der Vorsorge ist.
Thesen:
- Zur Beratung der Vollmacht müssen Vollmachtgeber und Vollmachtnehmer anwesend sein.
- Patientenverfügung muss mit Vorsorgevollmacht oder Betreuungsverfügung verknüpft werden.
- Vollmacht nur bei 100% Vertrauen und ohne Vorbedingung
- Beratungsauftrag gemäß § 1908 f muss finanziert werden.
- Unterstützung und Begleitung Bevollmächtigter ist Zukunftsaufgabe der Betreuungsvereine.
Diese Arbeitsgruppe beschäftigt sich mit den Chancen und Möglichkeiten, die die Struktur der Geeigneten Stelle in Bezug auf die Besorgung von Angelegenheiten und die sogenannten Anderen Hilfen bietet.
Anhand der Darstellung des Projektes „Betreuung als Sozialleistung“, das derzeit einige Berufsbetreuer/innen gemeinsam mit der Stadt Emden in Niedersachsen durchführen, wird der Weg beschrieben, wie es möglich ist, Menschen in komplexen Problemlagen ohne gesetzliche Betreuung eine unabhängige und professionelle Beratung und Unterstützung anzubieten.
Durch gesellschaftliche und politische Veränderungen steigen Nachfrage und Bedarf an einer individuellen Unterstützung kontinuierlich.
Menschen mit Behinderungen wird zunehmend eine erhebliche Mitwirkung bei der Geltendmachung ihrer Rechte und der Realisierung ihrer gewünschten Leistungen abverlangt. Diese Mitwirkungspflichten überfordern viele Teilhabeberechtigte und sie können dieses nicht leisten. Um zu ihrem Recht zu kommen, bleibt ihnen oft nur der Weg über die rechtliche Betreuung. Betroffene, die die Anforderungen der gesetzlichen Betreuung nicht erfüllen, bleibt der Zugang zu den gewünschten Sozialleistungen häufig versperrt.
Professionellen und unabhängigen Beistand außerhalb oder im Vorfeld einer gesetzlichen Betreuung, die die Rechts-und Handlungsfähigkeit der Betroffenen sichert, gibt es derzeit nicht.
In dieser Arbeitsgruppe soll den oben genannten Problemen nachgegangen werden. Es soll überlegt werden, wie auch Menschen ohne gerichtliches Mandat unterstützt werden können. Die AG richtet sich an Berufsbetreuer/innen, die Lust daran haben, Neues zu denken und auszuprobieren. Es besteht die Möglichkeit, Erfahrungen und Meinungen auszutauschen und Fallbeispiele darzustellen.
Die Arbeit mit Menschen mit psychischen Erkrankungen ist eine sehr individuelle und auf die Lebenswelt der Klienten ausgerichtete Tätigkeit.
Vor dem Hintergrund der Zunahme schwerer psychischer Erkrankungen und unseren Bestrebungen nach Professionalität und Standardisierung möchten wir in dieser AG an praktischen Fallbeispielen besondere Methoden der Gesprächsführung und der personenzentrierten Unterstützung erproben.
Nach einem kurzen theoretischen Input zum Thema Lebenswelten sollten die Teilnehmer/innen der AG sich aktiv ausprobieren.
Die Teilnehmer/innen sollen in die Lage versetzt werden, individuelle Handlungskonzepte zu entwickeln, die sich an Standards orientieren.
Die Bereitschaft zur aktiven Teilnahme an Gruppenarbeit und kleinen Übungen ist erwünscht.
Wer kennt die Situation nicht? Frau Müller geht zur Bank und möchte Geld holen. Frau Müller wird betreut. Unter anderem findet sich der Aufgabenkreis der Vermögenssorge in der Betreuung. Dennoch, Frau Müller ist voll geschäftsfähig. Jetzt steht sie in ihrer Bank am Schalter und möchte 50,- € von ihrem Konto abheben. Der Bankmitarbeiter bittet Frau Müller um etwas Geduld. Er bespricht sich mit einem Kollegen und muss dann noch telefonieren. Nach Minuten des Wartens kommt er zu Frau Müller zurück. „Frau Müller, tut mir leid, aber bevor ich Ihnen das Geld auszahlen kann, muss ich Ihren Betreuer anrufen“, sagt der Bankmitarbeiter gut hörbar. Frau Müller wird rot. So hatte Sie sich die Betreuung nicht vorgestellt. Sie erwartete sich Unterstützung. Nicht aber, dass sie nicht mehr an ihr Geld kommt. Frau Müller hat Glück im Unglück. Ihr Betreuer wurde vom Bankmitarbeiter gleich erreicht. Der Betreuer konnte dem Bankmitarbeiter erklären, dass Frau Müller uneingeschränkt über ihr Geld verfügen kann, da die Betreuung die Geschäftsfähigkeit nicht automatisch berührt. Trotzdem: Frau Müller fühlt sich in ihrer Bank nicht mehr ernst genommen.
Ein anderer Fall: Herr Maier wird in die Klinik eingewiesen. Eine Operation steht an. Herr Maier ist 35 Jahre alt, hat studiert. Im Alltag kommt er fast immer gut zurecht. Nur nicht in den Zeiten, in denen er psychotisch ist. Wegen seiner Psychose hat er eine Betreuung bekommen. Den Antrag hat er selbst gestellt, weil er die Unterstützung seiner Betreuerin in Krankheitsphasen gut gebrauchen kann. Zum aktuellen Klinikaufenthalt kam es jetzt, weil Herr Maier an einem Abszess operiert werden soll. Psychisch ist Herr Maier derzeit fit. Eher beiläufig erwähnt er seine Betreuerin im Gespräch mit dem Arzt. Dieser erklärt Herrn Maier daraufhin sofort, dass die OP ohne die Einwilligung der Betreuerin nicht stattfinden wird. Diese ist aber an diesem Nachmittag nicht mehr erreichbar, da sie auf Hausbesuchstour ist. Der Arzt verlangt aber ihr persönliches Erscheinen in der Klinik. Die OP droht abgesagt zu werden.
Die Arbeitsgruppe beschäftigt sich mit den geschilderten und anderen Fällen der institutionellen Entrechtung von Klienten. In der Arbeitsgruppe sollen einige klassische Beispiele von institutioneller Entrechtung beschrieben werden. Aufgabe von Betreuung ist die Be-Rechtung von Klienten. Also auch der Schutz vor institutioneller Entrechtung. Diese Aufgabe kann von Betreuer/-innen nur gut erfüllt werden, wenn sie den Unterstützungs- oder eben Vertretungsbedarf fachlich sicher ermitteln können.
Fragen nach der fachlich fundierten Ermittlung des Unterstützungsbedarfs von Klienten werden genauso besprochen, wie Handlungsleitfäden zu einzelnen Fragestellungen.
Die Altersstruktur der professionell tätigen Betreuer/innen stellt uns – zumindest mittelfristig – vor eine große Herausforderung: Wie beenden wir unser Berufsleben als Betreuer/in, wie lösen wir unser Büro auf oder wie übergeben wir es an eine Nachfolgerin/einen Nachfolger, wie finden wir diese/n, was passiert mit „unseren“ Betreuten. Das Thema „Berufsausstieg“ wird für jede/n von uns früher oder später aktuell –nicht wenige befinden sich schon unmittelbar vor oder in dieser Berufsaustiegsphase.
Wir müssen uns frühzeitig darüber Gedanken machen und einen guten Ausstieg planen und dabei spielen nicht nur persönliche sondern auch finanzielle, steuerliche, versicherungstechnische Fragen u.a. eine wichtige Rolle, denn eines ist klar: Von einem zum anderen Tag ist die Betreuungstätigkeit nicht zu beenden.
In zwei verschiedenen Szenarien (Auflösen eines Betreuerbüros und Übergabe an eine Nachfolge) wollen wir in der Arbeitsgruppe darstellen, wie die Beendigung unserer Betreuungstätigkeit aussehen kann, wann die Planungen dazu beginnen sollten und welche Schritte wann dazu beitragen, unser Berufsleben befriedigend für alle Beteiligten – Betreute, Betreuungsgerichte, Betreuungsstellen, Kollegen, Vertrags- und Kooperationspartner und natürlich auch uns selbst - zu beenden.
In der AG sollen dabei die betreuungsrechtliche und die wirtschaftliche Dimension beleuchtet aber auch versicherungs- bzw. verwaltungstechnische Fragen diskutiert werden. Zeitpläne und Checklisten und Detailinformationen aus den verschiedenen betroffenen Bereichen können dabei helfen, die Planung und Umsetzung des Berufsausstiegs zu erleichtern.
Neben diesen Anregungen soll in der Arbeitsgruppe aber auch gemeinsam überlegt werden, wie der Wert (auch der materielle) eines Betreuungsbüros beziffert werden kann und wie „dieser Wert“ auch marktstrategisch realisiert werden könnte. Im Gegensatz zu anderen Berufsgruppen ist ein „Verkauf „ eines Betreuungsbüros“ noch unüblich und möglicherweise mit Vorbehalten behaftet, daher muss die Kommunikation darüber sehr sensibel geführt werden
Die Arbeitsgruppe wendet sich insbesondere an die Kollegen und Kolleginnen, die in den nächsten Jahren ihren Berufsausstieg planen und dabei nach Antworten auf ihre Fragen hierzu suchen. Aber natürlich ist die Arbeitsgruppe auch offen für alle, die noch gar nicht ans Aufhören denken.
„Wir wollen das Betreuungsrecht in struktureller Hinsicht verbessern und damit das Selbstbestimmungsrecht hilfebedürftiger Erwachsener bedarfsgerecht stärken.“ Dieser Satz des aktuellen Koalitionsvertrages ist Richtschnur der gegenwärtigen Diskussion über eine Reform der Betreuung. Im Mittelpunkt steht die Qualität der Betreuung, die inzwischen als ernstzunehmende Frage identifiziert wurde.
Der BdB stellt in den Mittelpunkt seiner diesjährigen Jahrestagung die weitere Entwicklung einer Profession Betreuung und diskutiert strukturelle Voraussetzungen der Qualität in der Betreuung.
Das BMJV hat eine rechtstatsächliche Untersuchung angekündigt, mit der geklärt werden soll, ob strukturelle Defizite in der Betreuung bestehen und diese (auch) auf eine mangelnde Qualifikation der Berufsbetreuer zurückzuführen sind. In diesem Zusammenhang soll es auch zu einer Evaluation des seit 2005 unveränderten Vergütungssystems kommen.
Zur Vergütungsfrage haben jüngst die im sogenannten Kasseler Forum zusammenkommenden Verbände des Betreuungswesens zu einer gemeinsamen Position gefunden. So wird gefordert, das Vergütungssystem in zwei Schritten an die veränderten Gegebenheiten anzupassen. In einem ersten Schritt zur Behebung der aktuellen wirtschaftlichen Notlage und der Qualitätsverschlechterung bei Betreuungsvereinen und freiberuflich tätigen Berufsbetreuer/innen sollen demnach als Sofortmaßnahme die Stundensätze auf mindestens 54,- Euro in der obersten Vergütungsstufe und die Stundenansätze auf mindestens 5 Stunden durchschnittlich im Monat angehoben werden. In einem zweiten Schritt soll dann – so die Forderung – das VBVG zu einem einfachen System mit einheitlichem Stundensatz auf der Grundlage einheitlicher Zugangsvoraussetzungen weiterentwickelt werden. Auf die Vergütungssysteme der Berufsverbände, z.B. das Fallgruppenmodell des BdB, wurde ausdrücklich verwiesen.
Weiter hat das BMJV eine Untersuchung zur Wirksamkeit des im letzten Jahr in Kraft getretenen Gesetzes zur Stärkung der Funktionen der Betreuungsbehörden angekündigt. Schließlich ist das BMJV zur Einrichtung einer Arbeitsgruppe bereit, in der Empfehlungen zur Betreuerauswahl erarbeitet werden sollen.
Besondere Bedeutung kommt im laufenden Diskussionsprozess den Bundesländern zu, von deren Zustimmung als Kostenträger jedwede Reformbemühungen abhängen.
Vor diesem Hintergrund sollen einige Aspekte, die in diesen Zusammenhäng erörtert werden,Gegenstand dieses Forums sein:
- Welche Chancen kann die Schaffung einer Profession Betreuung mit dazugehöriger Selbstverwaltung eröffnen und wie wäre diese zu erreichen?
- Welche Anforderungen sind an die Qualifikation von Betreuer/innen zu stellen? Ist zur Sicherung dieser Qualifikation eine formelle Zulassung notwendig? Wie wäre diese ggf. zu regeln?
- Welcher Instrumente zur Qualitätskontrolle und –sicherung bedarf es?
- Welche Auswirkungen auf die Qualität hat das bestehende Vergütungssystem?
- Welche Bestrebungen gibt es namentlich in den Bundesländern, Qualität in der Betreuung zu fördern?
In kurzen einleitenden Inputvorträgen sollen die jeweiligen Positionen des Bundes, der Länder, des Betreuungsgerichtstages und des BdB vorgestellt und dann möglichst intensiv diskutiert werden.
Berufsbetreuung braucht abgesicherte Qualität, darüber sind sich mittlerweile nicht nur die Praktikerinnen sondern auch die Verantwortlichen im Justizministerium und in dem Zusammenschluss der Verbände im Betreuungswesen (BGT,BUKO, BVfB, Caritas, BdB) - vertreten im Kasseler Forum - einig.
So besteht ein Konsens über untergesetzliche Zulassungskriterien für Berufseinsteiger, der sich noch lange nicht in allen Ländern und Kommunen durchgesetzt hat.
Aber das ist es nicht allein. Das Thema einer angemessenen Vergütung beschäftigt uns nun schon seit vielen Jahren. Jetzt sieht es so aus, als könnte sich auf diesem Gebiet tatsächlich etwas in Richtung Anhebung der Stundensätze und Anhebung der Fallstundenpauschalen bewegen. Das wäre ein Riesenschritt, um Qualität zu verbessern. Denn:
mehr Zeit pro Fall heißt auch mehr Kontakt zu den Klient/innen
mehr Geld bedeutet, dass Fallzahlen nicht zwingend erhöht werden müssen, um die eigene Existenz abzusichern.
So weit so gut - aber es bestehen noch weitere Barrieren, die einer Qualität in der rechtlichen Betreuung entgegenstehen. So gibt es noch keine anerkannten Kriterien für Qualität, also kein gemeinsames Verständnis darüber, was Betreuung fachlich bedeutet und woran gemessen werden kann, wann eine Betreuung „gut“ oder „schlecht“ ist.
Stattdessen erleben die Berufsinhaber/innen, dass ihnen über formale Kontrollen wie die Prüfung der Besuchshäufigkeit und die Begrenzungen der Fallzahlen eine professionelle Tätigkeit erschwert wird, ohne damit Qualität zu erzeugen.
Nach unserer Überzeugung müsste eine anerkannte Fachlichkeit Grundlage der Berufsausübung werden, um eine Unterstützung von Menschen mit Behinderungen bei Ihrer Selbstbestimmung und ihrer Selbstverantwortung gewährleisten zu können.
In diesem Forum besteht die Gelegenheit die verschiedenen Betrachtungsweisen zum Thema Qualitätssicherung und Qualitätsbarrieren kritisch zu bewerten und zu hinterfragen. Wir freuen uns auf eine lebhafte Diskussion!
Wie handeln Betreuerinnen und Betreuer in gesundheitlichen Krisensituationen ihrer Klientinnen und Klienten? Mit welchen Verfahren stärken sie deren Selbstsorge und wenden bedrohliche Lebenslagen ab?
Der BdB legt Vorschläge für das fachliche Handeln von Betreuerinnen und Betreuern zur Vermeidung von Zwangsbehandlungen und Unterbringungen vor und stellt sie im Rahmen des Forums zur Diskussion.
Anliegen des BdB e.V. ist es, Transparenz über das fachliche Handeln der Betreuer/innen herzustellen und das Besondere hervorzuheben, das die berufliche Betreuung von anderen Unterstützungsformen unterscheidet. So entsteht ein Bild von Betreuung und Dritte haben die Chance, ihre beruflichen Verfahrensweisen an die Betreuung anzupassen.
Von der Diskussion wünscht sich der BdB eine Justierung der Fachlichkeit und eine Überprüfung ihrer Anschlussfähigkeit. Besonders wichtige Diskussionspartner/innen sind die Klient/innen und ihre Verbände. Sie sind in besonderem Maß betroffen, weil die Art und Weise des beruflichen Handelns ihre Lebenslage beeinflusst und in verschiedene Lebensbereiche eingreift. Das Einwirken in die Lebensbereiche der Klient/innen schafft Berührungspunkte und Schnittstellen zu anderen gesellschaftlichen Systemen und Institutionen. Zu nennen sind hier in vorderster Reihe das Sozial- und Gesundheitswesen, die Justiz und die Betreuungsbehörden. Aber auch die Politik, die auf die Rahmenbedingungen der Berufsausübung Einfluss nimmt, gehört zu denen, die in die öffentliche Diskussion eingebunden werden müssen.
Die ersten öffentlichen Gespräche über die Vorschläge des BdB e.V. für das berufliche Handeln zur Vermeidung von Zwangsbehandlungen und Unterbringungen wurden im Rahmen einer Diskussionsveranstaltung mit Ärzten der Hamburger Asklepios Klinik Nord Ochsenzoll geführt. Das große Interesse der Klinik an einer konstruktiven Zusammenarbeit mit Betreuer/innen ermöglichte im September 2014 den ersten fachlichen Austausch. Nach Veröffentlichung und Akzeptanz der Vorschläge ist in Kooperation mit der Asklepios Klink Nord Ochsenzoll eine wissenschaftliche Evaluation geplant.
Die Vorschläge des BdB für das fachliche Handeln von Betreuerinnen und Betreuern zur Vermeidung von Zwangsbehandlungen und Unterbringungen finden Sie hier.
CDU, CSU und SPD haben sich in ihrem Koalitionsvertrag für die 18. Legislaturperiode darauf verständigt, die Eingliederungshilfe zu einem „modernen Teilhaberecht“ weiter zu entwickeln. Mit dem neuen Recht, verspricht das Arbeits- und Sozialministerium des Bundes (BMAS), kommt Sozialpolitik der Idee einer inklusiven Gesellschaft näher, die den behinderten Menschen mit seinen besonderen Bedarfen in den Mittelpunkt rückt. Teilhabeleistungen sollen personenzentriert, individuell organisiert und wirkungsvoll erbracht werden.
Das weckt Hoffnungen auf positive Veränderungen. Ganz anders die Erfahrungen rechtlicher Betreuer/innen, die ihre Klient/innen beim Zugang zum Versorgungssystem unterstützen: Kostenträger versuchen nach Kräften, die Ansprüche leistungsberechtigter Bürger/innen abzuwehren. Ein gutes Beispiel für die Absage des Systems der Eingliederungshilfe an eine konsequent personenzentrierte und selbstbestimmte Versorgung ist der Widerstand der Behörden gegen die gesetzlich geregelte Umsetzung des Persönlichen Budgets. Die Finanzierung erforderlicher Beratungs- und Unterstützungsleistungen (Budgetassistenz) – aus Sicht des Betreuungsrechts eine „andere Hilfe“ par excellence – ist für die meisten Kostenträger ein Tabu.
Derweil entwickeln die Kommunen ein neues Grundverständnis von Leistungsgewährung. Der „inklusive Sozialraum“ wird zum Leitbegriff. Die aus Sicht der Kommunen zu teuren Einzelfallhilfen unterliegen in besonderem Maße dem Dogma der Haushaltskonsolidierung und der „Schwarzen Null“. In den Vordergrund tritt nun die Gruppenarbeit, die Begegnung in „offenen Treffs“ und „der Aufbau nachbarschaftlicher Kontakte“. Hamburg schreitet bei dieser Entwicklung voran und hat seine personenzentrierten Unterstützungsangebote für Menschen mit seelischen Behinderungen (u.a. Betreutes Wohnen) durch eine „ambulante Sozialpsychiatrie“ ersetzt, die über regionale Zentren („Begegnungsstätten“) organisiert wird. Die beteiligten Leistungserbringer erhalten eine Jahrespauschale und übernehmen hierfür die Verpflichtung, alle hilfesuchenden Menschen mit seelischen Behinderungen in einem zugeordneten Sozialraum zu versorgen.
Für Kostenträger und Leistungsanbieter ist das neue Verfahren mit einem Gewinn an Planungssicherheit verbunden; Kostenentwicklungen werden besser steuerbar. Währenddessen schwächt das neue System die Rechtsposition der betroffenen Bürger/innen. Diese können nur hoffen, dass sie Leistungen erhalten, die sie tatsächlich benötigen. Die neuen Hamburger Leistungsbescheide beinhalten keine Angaben zum Umfang der Leistung. Es werden keine Stundenkontingente bewilligt; der Kostenträger sichert der/dem anspruchsberechtigten Bürger/in lapidar eine „bedarfsdeckende ambulante sozialpsychiatrische Leistung“ zu – lediglich konkretisiert durch vage Zielformulierungen: „Frau Meier lernt mit ihren Ängsten umzugehen“. Die Bedarfsdeckung muss die Klientin bzw. der Klient gegenüber dem regional zuständigen Leistungserbringer selbst durchsetzen, ohne hierbei auf einen amtlich bewilligten Leistungsumfang verweisen zu können. In der Konsequenz ist die neue „ambulante Sozialpsychiatrie“ in Hamburg ein Programm zur Stärkung der Institutionen; die Machtdynamik in der Beziehung von Leistungsanbietern und Leistungsempfängern verschiebt sich zugunsten der Anbieter.
Indes steigt der Betreuungsbedarf; schließlich ist die im BGB geregelte rechtliche Betreuung darauf ausgerichtet, Barrieren auf dem Weg zu einer selbstbestimmten Lebensgestaltung abzubauen. Aber welche konkreten Möglichkeiten der Intervention haben Betreuer/innen, wenn die Kommunen – im Interesse einer Haushaltskonsolidierung – die individuellen Ansprüche der Klient/innen aushebeln? Und warum erzeugt die regelhafte Missachtung sozialrechtlicher Vorschriften durch öffentlich-rechtliche Stellen keine politische oder gesellschaftliche Empörung? Mit kurzen Statements unserer Referent/innen möchten wir eine praxisorientierte Diskussion über die sozialpolitischen Rahmenbedingungen der Betreuung anregen. Wir wollen jenseits der guten Hoffnung auf ein neues Teilhabegesetz die Aufmerksamkeit auf sozialpolitische Fehlentwicklungen im kommunalen Bereich lenken, die sich gegen die Interessen unserer Klient/innen richten und für unsere Arbeit folglich mit neuen Herausforderungen verbunden sind.