BdB-Jahrestagung 2017
So wohltuend wie die Jahrestagung 2017 starten nicht alle Begegnungen von Berufsbetreuern mit der Politik. Schon gar nicht, seitdem es um die Anerkennung der Arbeit von Betreuern für die Gesellschaft und mehr Geld geht. Nach der Eröffnung der Tagung am 27. April durch den Vorsitzenden Thorsten Becker und das Grußwort des Oberbürgermeisters von Radebeul Bert Wendsche übernahm der zweite Vizepräsident des sächsischen Landtags, Horst Wehner (DIE LINKE) das Mikrofon.
Vizepräsident des Sächsischen Landtags stärkt Rücken
„Politik und Gesellschaft sind gefordert, für Ihre Arbeit die erforderlichen Rahmenbedingungen zu schaffen. Und das nicht nur mit Sonntagsreden, sondern mit wirkungsvollen Taten und der Leistung konkreter Beiträge dafür, dass Sie auch weiterhin mit Ihrer Arbeit Erfolge erzielen können, die letztendlich unserem Gemeinwesen und seinem solidarischen Zusammenhalt insgesamt zu Gute kommen.“ Wehner lobte ausdrücklich die Zusammenarbeit mit der BdB-Landesgruppe Sachsen.
Sächsisches Justizministerium äußert sich ablehnend
Auch Anette Franke, Staatssekretärin im sächsischen Justizministerium sah es als ein gesamtgesellschaftliches Ziel, dass Menschen, die ihre Angelegenheiten nicht selber regeln könnnen, Teil der Gesellschaft bleiben und aktiv teilhaben können. Hinsichtlich der Vergütungserhöhung allerdings brachte Franke kein positives Signal aus ihrem Ministerium. Ein Problem für die Qualität der Betreuung sah sie nicht.
BMJV bekräftigt Willen zur sofortigen Vergütungserhöhung
Anette Schnellenbach, Ministerialrätin des Bundesministeriums der Justitz und für Verbraucherschutz überbrachte das Grußwort des Justizministers Heiko Maas (SPD). Hierin betonte der Minister den Willen der Bundesregierung, die Gesetzesänderung für eine Vergütungserhöhung um 15 Prozent noch in dieser Legislaturperiode umzusetzen. Auch, um "in Ruhe" in der kommenden Legislaturperiode das Betreuungssystem zu reformieren. Im Anschluss fasste Schnellenbach die aktuelle Situation aus Sicht des Bundes zusammen. Die Länder zeigen einheitlich Ablehnung. Als bemerkenswert betonte Schnellenbach die Einigkeit von Regierung und Opposition im Bund für eine sofortige Vergütungserhöhung. Zu rechnen sei mit einem Vermittlungsverfahren, ob noch in dieser Legislaturperiode konnte Schnellenbach nicht einschätzen.
Wenn wir nicht mehr Geld bekommen, dann...
Wir haben unsere Mitglieder gefragt:
Sollten die notwendigen strukturellen Veränderungen noch länger hinausgezögert werden, welche Auswirkungen prognostizieren Sie?
Während der Jahrestagung 2017 hat den BdB die Information erreicht, wie der aktuelle Fahrplan zur Gesetzesänderung für 15 Prozent mehr Vergütung der Berufsbetreuer aussehen könnte. Dem Vernehmen nach gab es jüngst den Versuch des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) mit den Ländern eine gemeinsame Linie zu finden. Dieser Versuch soll gescheitert sein. "Die ablehnende Haltung der Länder hat den Gesetzgebungsprozess verschoben - nicht mehr und nicht weniger", so der BdB-Vorsitzende Thorsten Becker in seiner Rede am ersten Tag der Jahrestagung.
Am nächsten Morgen dann die Nachricht: Die Gesetzesänderung hat es wieder einen Schritt weiter geschafft: Sie steht auf der Tagesordnung des Bundestages am 18. Mai. Der letztmögliche Termin für die Abstimmung im Bundesrat ist der 7. Juli.
Mit einer kämpferischen Rede zur Eröffnung der Jahrestagung 2017 brachte BdB-Vorstandsvorsitzender Thorsten Becker die rund 300 Teilnehmer der Tagung geschlossen hinter sich. Dafür spannte er einen weiten Bogen über die Themen, welche den Verband derzeit beschäftigen: von der Entwicklung der Fachlichkeit, den Rahmenbedingungen von Betreuung, das politische Feld bis zur Entwicklung der Profession. Immer wieder gab es tosenden Applaus.
Becker brachte die Emotionen vieler BdB-Mitglieder in der vergangenen Zeit auf den Punkt: "Wir befinden uns zwischen permanentem Hoffen und Enttäuschung." Die Hoffnung auf Vergütungserhöhung sei in greifbarer Nähe. Der BdB gewinne wachsende Präsenz und Anerkennung in der Politik.
Hingegen wachsen Enttäuschung, vielleicht auch Verärgerung und Wut, da die Zeitpauschalen schon lange nicht mehr reichten. Sie gestalteten den Berufsalltag jeden Tag aufs Neue schwer. Becker betonte auch, wie bitter er die heftige Gegenwehr aus einigen Ländern gegen mehr Geld empfinde. Aber wir haben bei Weitem nicht aufgegeben.
Was die Lobbyarbeit mit Hochdruck und die unglaublichen Anstrengungen des Verbandes im vergangenen Jahr bedeuten, erklärte der Vorstandsvorsitzende: "Wir haben Strukturen verändert, in der Geschäftsstelle Ressourcen frei gestellt um tagesaktuell zu bewerten und zu analysieren. Wir haben Strategien und Konzepte entwickelt. Das war nicht schmerzfrei, andere Tätigkeitsfelder wurden weniger bearbeitet, beispielsweise konnten wir uns nicht so an der Diskussion um die Eingliederungshilfe beteiligen, wie wir es gewollt hätten."
Zwischenerfolge und kühle Köpfe
Die politische Strategie fordere Bereitschaft zu Diplomatie. Dies sei keine Schwäche, sondern Realpolitik. Moderate Töne und Verhandlungen hinter verschlossenen Türen seien notwendig, um weiterzukomme, nicht alles könne weitergegeben werden. Der BdB erreiche inzwischen ganz anderen Ebenen, auch Staatssekretäre des Budnesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV). Und der Verband hat einen Zwischenerfolg erreicht: den Gesetzesentwurf für eine höhere Vergütung. Der Vorstandsvorsitzende appelierte dafür, einen klaren Kopf zu bewahren. Für die Länderhaushalte seien 15 Prozent mehr Geld für Betreuer relativ gering.
"Die Landesministerien sagen, es ginge ums Geld. Das halten wir für vorgeschoben! Wir glauben, es geht um die Anerkennung unseres Berufs", sagte Becker. Es gebe Bestrebungen der Politik, Berufliche und Vereinsbetreuung gegeneinander auszuspielen. Der BdB sagt: "Nicht mit uns!" Das gleiche gelte für Diskreditierungen seitens der Landespolitik, die beispielsweise behauptet, Berufsbetreuer hätten "fette Gewinne" in den vergangenen Jahre gemacht.
"Geringschätzung unserer Arbeit, Würde Klienten"
Becker: "Im Endeffekt geht es um eine Geringschätzung unserer Arbeit, die ich beschämend finde. Und eine Missachtung unserer Vergütung ist auch eine Missachtung unserer Klienten. Sorgt endlich für angemessene Rahmendbedingungen! Denn es hat Folgen, wenn Vergütung nicht erhöht wird." Vereine und Büros geben auf. Schon jetzt gibt es in vielen Regionen keinen qualifizierten Nachwuchs. Qualitätseinbußen in der Betreuungspraxis sind mancherorts schon zu spüren, dann könnten Krisen eskalieren und die Versorgung nicht mehr bedarfsgerecht organisiert werden. Für einen aktivierenden Unterstützungsprozess bliebe zu wenig Zeit, dann würde vermehrt ersetzend gehandelt. Jetzt sei die Politik am Zug. Die Frage sei: "Wieviel ist die Würde unserer Klienten Wert!?"
Gefährliche Kombination
"Politiker wollen über Qualität reden. Das tun wir bereits seit 20 Jahren und fordern es von der Politik ein", erklärte Becker. Denn hohe Verantwortung und fehlende Verbindlichkeit halte er für eine gefährliche Kombination. Bis heute gebe es keinen berufsfachlichen Sorgfaltsmaßstab.
Die Delegiertenversammlung des BdB hat am zweiten Tagungstag eine Resolution mit Forderungen an die Politik diskutiert und verabschiedet. Außerdem entlastete die Delegiertenversammlung den Vorstand, BdB-Geschäftsführer Dr. Freter trug den Geschäftsbericht vor, für das ipb hat den Bericht Vorstand Iris Peymann verlesen, da Frau Prof. Dr. Sörensen zum 1. April das Institut verlassen hat. Gleichzeitig hat sich der neue ipb-Geschäftsführer Martin Eck vorgestellt.
Große Zustimmung zur Arbeit des Vorstandes: Der Neue ist auch der alte. Gewählt wurden: Der Vorsitzende Thorsten Becker mit 100 Prozent der Stimmen, die beiden stellvertretenden Vorstitzenden Hennes Göers und Rainer Sobota sowie Iris Peymann als Finanzverantwortliche und die Beisitzer Heike Looser, Jochen Halbreiter und Christian Kästner.