Berufsbetreuer*innen aus ganz Deutschland trafen sich im Dorint Kongresshotel, um nach 30 Jahren BdB Bilanz zu ziehen und einen Blick in die Zukunft zu werfen. Neben dem fachlichen Teil nahmen das Jubiläum und die Meilensteine des BdB viel Raum ein. In den Grußworten und Reden wurde deutlich, wie nachhaltig der BdB die Betreuungslandschaft verändert hat und welche Wirkung die intensive politische Arbeit des Verbandes mittlerweile zeigt. "Wir sind deutlich näher an die Politik herangerückt", sagte der Vorsitzende Thorsten Becker. Der Verband sei gefragt. "Wir verspüren einen guten Drive in der Politik, etwas zu verändern", so Becker.
Forderungen an Gesetzgeber adressiert
In Vorbereitungen auf die Vergütungsreform verwies der Vorsitzende auf das Positionspapier, in dem die Vorstellungen zu einem leistungsgerechten und vereinfachten Vergütungssystem zusammengefasst wurden. "Wir fordern eine Abkehr vom bisherigen System. Stattdessen schlagen wir eine einheitliche Fallpauschale je Fall und Monat vor. Diese Summe errechnet sich aus dem ermittelten monatlichen Aufwand pro Klient*in und einem Stundenverrechnungssatz", erklärte Becker. Mit der aktuellen Forderung sei der reformbedingten Mehraufwand von 27 Prozent finanziell ausgeglichen. Das dreigeteilte Vergütungssystem müsse abgeschafft, zudem die Dolmetscher*innenkosten extra bezahlt und die Vergütung dynamisiert werden! "Unser politisches Ziel lautet: Die Vergütungsreform muss noch in der laufenden Legislaturperiode bis 2025 beschlossen werden. Nur so könnte das Reformgesetz zum 1. Januar 2026 in Kraft treten", betonte er.
Das Grußwort von Dr. Angelika Schlunck aus dem Bundesministerium der Justiz (BMJ) ließ hoffen, das ein Gesetz zur Anpassung der Betreuervergütung noch in dieser Legislaturperiode auf den Weg gebracht wird. Zudem kündigte auch die Referatsleiterin Betreuungsrecht im BMJ, Annette Schnellenbach, während der politischen Diskussion am Samstagvormittag an, einen Gesetzentwurf schon im Sommer 2024 vorzulegen.
Zielsetzungen formuliert
BdB-Geschäftsführer Dr. Harald Freter gab in seinem Bericht die Zielsetzung des BdB bekannt, bis 2028 für die deutliche Mehrheit aller Berufsbetreuer*innen in Deutschland sprechen und als beste Adresse für professionelle Betreuung gelten zu wollen. Dafür seien zahlreiche Projekte angeschoben worden, u.a. die Qualitätsentwicklung, die Organisationsentwicklung in den Landesgruppen und die Digitalisierung inkl. des TOP-Themas "Künstliche Intelligenz" (KI). "Wir beschäftigen uns damit und prüfen derzeit, inwieweit KI in der BdB-Geschäftsstelle und im Betreueralltag integriert werden kann", so der Geschäftsführer.
Austausch in den Arbeitsgruppen
Den 295 Teilnehmenden bot das Programm der diesjährigen Jahrestagung vor allem aber erneut ausreichend Raum für Diskussionen und einen fachlichen Austausch. In den vier Intensiv- und acht Kurzarbeitsgruppen beschäftigten sich die Tagungsteilnehmer mit den beruflichen Spannungsfeldern, aktuellen Rechtsthemen und der eigenen Unternehmensführung. "Wir haben uns mit der nun im Gesetz eindeutig definierten Selbstbestimmung unserer Klient*innen und damit einhergehenden Wunschbefolgung sowie ihren Grenzen befasst", sagte die stellvertretende Vorsitzende Andrea Schwin-Haumesser zur Arbeit in der Gruppe „Selbstbestimmung in der rechtlichen Betreuung und ihre Grenzen“. Die rund 20 Teilnehmer diskutierten darin an interessanten Fallbeispielen, wie ggf. „hinter“ einen Wunsch geschaut werden kann, was möglicherweise das eigentliche Bedürfnis ist und wie es zu befriedigen sein könnte.
Peter Berger (Beisitzer im BdB-Vorstand) beschäftigte sich in seiner rund 20-köpfigen Gruppe mit finanziellen Angelegenheiten - Selbstverwaltung und Betreueraufgaben. "Die Teilnehmer interessierten sich für die aktuelle Rechtslage und hatten zahlreiche Fragen. Diese betrafen sowohl allgemeine Fragen, als auch Fragen zur neuen Vermögenssorge, insbesondere zu den Berichten und der Schlussrechnung. Ich hatte das Gefühl, dass die Teilnehmer*innen sehr zufrieden waren, wie die Rückmeldungen zeigten", sagte er.
In der Intensiv-Arbeitsgruppe zum Thema „Selbstbestimmung bei Klientinnen mit affektiven Störungen“ gab Prof. Dr. Martin Ohlmeier vom Klinikum Kassel den rund 30 Zuhörern einen interessanten Einblick in die Hintergründe dieser Erkrankungen. Die Veranstaltung wurde von einer sehr informativen Präsentation begleitet, in der auch Filmausschnitte gezeigt wurden, um die affektiven (manisch-depressiven) Zustände zu verbildlichen. In dem interaktiven Vortrag wurden verschiedene Aspekte beleuchtet, etwa die rechtlichen Grundlagen von Selbstbestimmung und Behandlung und deren Einschränkung oder die Bildung des freien Willens und welche Konsequenzen diese für das Leben Betroffener und deren Umfeld haben kann. "Letztlich sind Betreuer*innen hiervon regelmäßig betroffen", betonte Fred Rehberg (Beisitzer im BdB-Vorstand), der die Gruppe mit Martin Ohlmeier leitete.
In dieser intensiven Arbeit wurde der Bogen über Themen der Persönlichkeitsentwicklung bis hin zur Wirkung von Psycho-Pharmaka und Therapie-Möglichkeiten sowie einer besonderen Schwierigkeit, nämlich dem Thema Suizidalität gespannt. "In diesem Spektrum nahm die Diskussion schnell Fahrt auf. Es wurden diverse angrenzende Themen eingebracht. Die Gruppe kam zu der Einsicht, dass es im Bereich der psychiatrischen Versorgung noch viel Luft nach oben gibt und der Ausbau der komplementären Versorgungslandschaft manche Behandlung in einer Klinik entbehrlich machen würde", resümierte Rehberg.
Leitantrag verabschiedet / Änderung der Beitragsordnung beschlossen
Die Delegiertenversammlung verabschiedete letztlich den gemeinsamen Leitantrag von Länderrat und Vorstand, in dem die Interessensvertretung der rund 8.000 Mitglieder des BdB festgeschrieben wurde. Darüber hinaus bekräftigt der Antrag die Notwendigkeit einer leistungsgerechten Vergütung ebenso wie die Vereinfachung des Vergütungssystems. Er schreibt ein Qualitätskonzept fest und fordert vom Gesetzgeber, eine verlässliche Finanzierungsgrundlage für Betreuungsvereine zu schaffen.
Darüber hinaus fordert der neue Leitantrag eine Bundesfachstelle Unterstützte Entscheidungsfindung und die Entwicklung der beruflichen Fachlichkeit. Zudem verfolgt der BdB das Ziel, die Qualifikation für Berufsbetreuer*innen auf Hochschulniveau zu fordern. Nicht zuletzt soll das Pilotprojekt Erweiterte Unterstützung mit Stellvertreterkompetenzen auch alternative Modelle wie die Selbstmandatierte Unterstützung (mit selbstbestimmten Vertretungskompetenzen) in Betracht ziehen.
Die im Vorfeld der Delegiertenversammlung eingereichten Anträge wurden entweder zurückgenommen oder abgelehnt. Letztlich verabschiedeten die Delegierten lediglich die Änderung der Beitragsordnung und nahmen den Antrag der Landesgruppe Bayern zum Beschluss des Länderrats zur Änderung der Beitragsordnung mit 20 Gegenstimmen und 11 Enthaltungen an. Danach wird der Mitgliedsbeitrag zum 1.1.2025 angehoben. Über die neuen Beiträge informiert der BdB seine Mitglieder zeitnah.
Präsentationen und weitere Unterlagen aus Vorträgen und Arbeitsgruppen der Tagung finden Sie gesammelt im Mitgliederportal "meinBdB" in der Gruppe "Jahrestagung".